Darstellung eines naturnahen Sees, dazu ein eingefügtes Symbolbild mit besonders klarem Wasser und ein Symboldbild mit starker Algenentwicklung Foto: Felix Grunicke

Ein klarer oder ein trüber See?

Wenn wir vom Ufer in einen Badesee schauen, dann ist das Wasser manchmal so klar, dass wir bis auf den Grund sehen können. Wenn wir genau hinschauen, können wir vielleicht sogar Tiere erkennen, zum Beispiel Daphnien (Wasserflöhe).

Wer öfters am Ufer spazieren geht, kann beobachten dass der See nicht immer klar ist. Manchmal ist er durch mikroskopisch kleine Algen (das Phytoplankton) getrübt und grün gefärbt. Das Phytoplankton ist für die Nahrungskette sehr wichtig, denn es ernährt das Zooplankton und das wiederum die Fische. Andererseits können starke Phytoplanktonentwicklungen zu ernsthaften Problemen führen. Man darf dann nicht mehr im See baden. Bei der Trinkwassergewinnung aus Talsperren müssen die Algen im Wasserwerk entfernt werden.

Ein Ausschnitt aus der Nahrungskette

Teil einer Nahrungskette in einem See. Das Bild zeigt im Hintergrund einen Stillen See und im Vordergrund grafische Symbole für Phosphat (PO4 3-) als limitierenden Nährstoff, Phytoplankton und Daphnien Foto: tpetzoldt

Der Wechsel zwischen einem klaren und einem grünen, trüben Gewässer resultiert daraus, dass Schwankungen der Populationsdichte auftreten. Das kann sehr schnell gehen, weil Mikroalgen und Daphnien sehr schnell wachsen und sich vermehren. In der Natur hängt die Geschwindigkeit des Wachstums von vielen Faktoren ab, z.B. von der Jahreszeit, vom Wetter, vom Nährstoffangebot und vom Fischbestand.

Weltweit arbeiten viele Wissenschaftler daran, diese Prozesse besser zu verstehen und mathematisch zu beschreiben, um den Zustand der Gewässer zu verstehen und zum Beispiel eine Algenentwicklung vorhersagen zu können. Hierzu verwendet man mathematische Modelle und neuerdings auch künstliche Intelligenz. Außerdem muss man sehr viel messen.

Modellierung von Wachstumsprozessen

Der genaue Zeitverlauf einer Algenentwicklung ist in der Realität nur schwer vorhersagbar, weil in einem See viele unterschiedliche Phyto- und Zooplanktonarten vorkommen und viele Umweltfaktoren gleichzeitig wirken. Trotzdem kann das Beispiel “Algenentwicklung in einem See” helfen, grundlegende Wachstumsprozesse zu verstehen. Wachstum ist überall in der Natur zu finden, bei Pflanzen, Insekten oder Wildtieren. Ähnliche Modelle werden auch für die Ausbreitung von Krankheiten angewendet, zum Beispiel während der Corona-Pandemie.

In der App “Populationswachstum” wollen wir uns mit einigen grundlegenden Wachstumsprozessen befassen. Wir beginnen zunächst mit einem ungebremsten, exponentiellen Wachstumsmodell, befassen uns anschließend mit Formen des limitierten Wachstums und betrachten schließlich eine Räuber-Beute-Interaktion zwischen zwei Populationen.

Das Bild zeigt schematisch Algenzellen, die sich durch Teilung verdoppeln.
Populationswachstum durch Verdopplung

Einzellige Organismen, zum Beispiel Bakterien oder Phytoplankton, können sich sehr schnell vermehren. Die Abbildung zeigt schematisch, wie sich die Anzahl der Phytoplanktonzellen bei einer Zweiteilung verdoppelt. Somit entsteht eine geometrische Folge: 1-2-4-8-16-32-64 und so weiter.

Zur Beschreibung eines solchen Wachstumsprozesses benötigt man drei grundlegende Informationen:

  1. Die Anzahl der vorhandenen Organismen. Man nennt das die Abundanz und verwendet dafür üblicherweise das Symbol \(N\) (number).

  2. Das Populationswachstum pro Zeiteinheit, im vorliegenden Fall die Verdopplung.

  3. Den zugrunde liegenden Zeitschritt \(\Delta t\), in dem der Zuwachs stattfindet, z.B. ein Tag, eine Stunde oder ein Jahr.

Wie schnell wächst eine Population?
  1. Der Zuwachs ist umso größer, je größer die bereits vorhandene Abundanz ist. Aus einer Zelle werden zwei, aus 8 Zellen werden 16.

  2. Je größer der Zuwachs ist, desto schneller erfolgt das Populationswachstum. Anstelle einer Verdopplung (Faktor = 2, Zuwachs = 100%), könnten sich die Organismen auch verzehnfachen (Faktor = 10, Zuwachs = 900%) aber es kann sich auch nur ein kleiner Teil vermehren, z.B. Zuwachs = 10%, dann ist der Faktor = 1,1.

  3. Je kleiner der Zeitschritt ist, in dem die Vermehrung stattfindet, desto schneller wird das Populationswachstum.

Systemdiagramm für das exponentielle Wachstum.
Diskretes Wachstum

Beim diskreten Wachstum erfolgt die Vermehrung in festen Zeitschritten.

Die Anzahl der Zellen (die Abundanz \(N\)) zu einem zukünftigen Zeitpunkt \(t+1\) ist die Abundanz der Zellen zum aktuellen Zeitpunkt \(t\) plus die Anzahl der neu hinzukommenden Zellen \(b\cdot N_{t}\). Hierbei ist \(b\) die Pro-Kopf-Vermehrungsrate (englisch birth rate), der Anteil der Zellen die sich teilen.

\[ N_{t+1} = N_{t} + b \cdot N_{t} \]

Die Abundanz \(N\) ist entweder dimensionslos und bedeutet “Anzahl Individuen”, sie kann aber auch mit einer Bezugseinheit angegeben werden, z.B. Individuen pro Quadratmeter oder pro Liter. Auch eine Konzentrationsangabe ist möglich, z.B. mg/L Biomasse oder mg/L Kohlenstoff.

Anstelle der Vermehrungsrate \(b\) verwendet man oft das Symbol \(r\), die Nettoreproduktionsrate. Diese setzt sich aus zwei Teilen zusammen, der Vermehrungsrate \(b\) (engl. birth) und der Absterberate \(d\) (engl. death). Je nachdem ob die Differenz \(r=b-d\) positiv oder negativ ist, wächst die Population oder sie nimmt ab.

Eine Vermehrungsrate \(r=1\) bedeutet, dass für jedes vorhandene Individuum pro Zeitschritt ein neues Individuum dazukommt, also eine Verdopplung.

Kontinuierliches Wachstum

Wenn man sehr viele Individuen betrachtet, die sich kontinuierlich vermehren, also nicht in festen Zeitschritten, spricht man vom exponentiellen Wachstum. Aus der Gleichung oben wird eine Exponentialfunktion:

\[ N_t = N_0 \cdot e^{r \cdot t} \]

Die Funktion beschreibt die Entwicklung der Anzahl der Individuen (Abundanz, \(N\)) zum Zeitpunkt \(t\) in Abhängigkeit von der Netto-Reproduktionsrate \(r\) und der Anfangsabundanz \(N_0\) zum Zeitpunkt \(t=0\).

Bei Tieren, die sich nur einmal im Jahr fortpflanzen verwendet man in der Praxis meistens diskrete Wachstumsmodelle, bei Mikroorganismen meistens kontinuierliche Modelle.

Das Systemdiagramm

Zur Veranschaulichung kann man ein sogenanntes Systemdiagramm benutzen:

  • Hierbei bedeutet ein dick umrandetes Rechteck eine Zustandsgröße, z.B. die Abundanz einer Population,
  • dicke Pfeile stellen einen Stoff- oder Energiefluss dar und
  • dünne Pfeile eine Wechselwirkung.
  • Umsatzprozesse, z.B. das Wachstum, sind im vorliegenden Diagramm als Sechseck symbolisiert,
  • Feste Parameter, Umsatzraten und Hilfsgrößen werden als Kreis dargestellt.

Eine positive (verstärkende) Rückkopplung kann mit einem (+) symbolisiert werden, eine negative Rückkopplung mit einem (-).

Exponentielles Wachstum verstehen
  1. Wie viele Zellen entwickeln sich bei einer Wachstumsrate von \(r=1\) d-1 aus einer einzelnen Zelle an einem Tag:
  1. beim diskreten Wachstum in festen Zeitschritten?
  2. beim kontinuierlichen (exponentiellen) Wachstum?

  1. Eine Grünalgenpopulation startet mit 10 Zellen pro Liter und einer Wachstumsrate von \(r=1\) d-1. Wieviele Zellen pro Liter findet man bei exponentiellem Wachstum nach 7 Tagen?

  1. Eine Cyanobakterienpopulation (Blaualgen) wächst mit einer Wachstumsrate von \(r=0.5\) d-1. Nach etwa wieviel Tagen hat sich bei einem exponentiellem Wachstum die Abundanz verzehnfacht?

  1. In einem See ist eine Klarwassersituation entstanden. Die Daphnienpopulation mit einer Konzentration von 50 Individuen pro Liter leidet unter akutem Nahrungsmangel und vermehrt sich nicht mehr. Allerdings beträgt auf Grund des Fischfraßdrucks die exponentielle Mortalitätsrate \(d=0.1\) d-1. Nach wieviel Tagen befindet sich nur noch eine Daphnie in einem Liter Wasser?

  1. Ein Gedankenexperiment: In einem Becherglas mit 1 L Nährlösung befinden sich Algen mit einem Frischmasse von 1 mg L-1, die Wachstumsrate beträgt 1 d-1. Nach welcher Zeit wäre das Becherglas komplett mit Algenbiomasse gefüllt, wenn die Algen unlimitiert wachsen könnten?
Tipps zur App
  • Wenn die Zahlen zu groß werden, kann man den Simulationszeitraum verkürzen.
  • Man kann Zahlen mit dem Mauszeiger direkt aus der Grafik ablesen.
  • Das Ergebnisdiagramm kann mit Hilfe des Kamerasymbols abgespeichert werden.
  • Statt Simulation sind manchmal auch Papier und Bleistift oder ein Taschenrechner nützlich, Nachdenken sowieso.
Tipps zu den Aufgaben
  • Wenn eine Population abstirbt, also \(b < d\) ist, dann ist die Reproduktionsrate \(r\) negativ.
  • Die Dichte von Algen ist nur wenig größer als die von Wasser. Wir können praktisch mit 1 g cm-3 rechnen.
Hintergrundinformationen

In der Einleitung wurde von einer Verdopplung ausgegangen aber bei kontinuierlichem Wachstum wird mit einer Exponentialfunktion gerechnet. Warum ist das so?

In der Realität teilen sich nicht alle Algenzellen gleichzeitig, manche teilen sich früher, andere später und die Frühen teilen sich vielleicht schon das zweite Mal. Im Ergebnis erhält man deshalb keine geometrische Folge, sondern ein exponentielles Wachstum.

Aus der schrittweisen (iterativen) Gleichung:

\[ N_{t+1} = N_{t} + r \cdot N_{t} \] wird durch Umformen eine Differenzengleichung:

\[ \frac{N_{t+1} - N_t}{\Delta t} = r \cdot N_t \] beziehungsweise:

\[ \frac{\Delta N}{\Delta t} = r \cdot N_t \]

Wenn man sehr viele Zellen und kurze Zeiträume betrachtet, erhält man eine Differentialgleichung:

\[ \frac{dN}{dt} = r \cdot N \]

Diese Gleichung kann man mit Hilfe der sogenannten Variablentrennungsmethode analytisch integrieren und erhält die exponentielle Formel:

\[ N_t = N_0 \cdot e^{r\cdot t} \] Die exponentielle Formel hat den Vorteil, dass man nicht schrittweise iterieren muss, sondern die Werte für alle Zeitschritte direkt ausrechnen kann.

Anfangswerte

Parameter

Steuerung

das Bild zeigt schematisch Algenzellen, die sich durch Teilung verdoppeln, bis das Wachstum eine Grenze erreicht. Es ergibt sich eine S-förmige Kurve, die das begrenzte Wachstum symbolisiert.
Wachstum kann nicht unbegrenzt fortdauern

Die Simulationen zum exponentiellen Wachstum zeigen deutlich, dass ein ungebremstes Wachstum schon nach kurzer Zeit zu einer unvorstellbar großen Abundanz führt.

Nehmen wir an, wir haben einen einzelnen Wasserfloh mit einer Länge von 1.5 mm und einer Masse von 0.25 mg bei einer Populationswachstumsrate von \(r=0.1\) pro Tag (d-1). Bei ungebremster Vermehrung hätten wir nach 6 Monaten bereits 80 Millionen Daphien mit einer Gesamtmasse von 20 kg. Nach 14 Monaten wäre die Müritz, der größte deutsche See mit einem Volumen von 737 Mio m3, komplett mit Daphien ausgefüllt, in gut 15 Monaten sogar der Bodensee.

In der Realität verlangsamt sich das Populationswachstum mit steigender Abundanz, so dass sich eine S-förmige Wachstumskurve ergibt. Eines der einfachsten Modelle dafür ist das sogenannte “logistische Wachstum”.

Das logistische Modell ist eine der wichtigsten Formeln in der Populationsökologie. Allerdings wird dabei nicht berücksichtigt, wodurch die Limitation stattfindet. Sie kann bei Daphnien durch Nahrungsknappheit oder Sauerstoffmangel hervorgerufen werden. Bei Algen kommt es zur Selbstbeschattung, weil sich die Algenzellen gegenseitig das Licht wegnehmen. Manche Mikroorganismen besitzen die Fähigkeit zur Selbstregulation. Sie können die Zelldichte an chemischen Ausscheidungen der anderen Zellen erkennen und teilen sich weniger oft, bevor Licht und Nährstoffe knapp werden.

Systemdiagramm für das logistische Wachstum.
Das Wachstum verzögert sich

Beim logistischen Wachstum ist die Wachstumsrate \(r\) nicht mehr konstant, sondern eine Funktion der Abundanz:

\[ r = r_{max} \cdot \left(1 - \frac{N}{K}\right) \]

Hierbei ergibt sich die eigentliche Wachstumsrate \(r\) aus dem Produkt der artspezifischen (intrinsischen) Reproduktionsrate \(r_{max}\) und einem dimensionslosen Term \(\left(1 - \frac{N}{K}\right)\), wobei \(r\) die realisierte Reproduktionsrate und \(K\) die Kapazitätsgrenze (carrying capacity) ist.

Die Wachstumsgleichung dafür lautet jetzt:

\[ N_t = \frac{K N_0 e^{r t}}{K + N_0 (e^{r t}-1)} \]

Das sieht relativ kompliziert aus, aber man kann gut damit rechnen. In Wirklichkeit ist diese Formel die Lösung einer Differentialgleichung:

\[ \begin{align} \frac{dN}{dt} &= r_{max} \cdot \left(1 - \frac{N}{K}\right) \cdot N \end{align} \] Diese beschreibt die Änderung der Population pro Zeiteinheit, genau so wie im Systemdiagramm.

Erklärung

Das Wachstum findet so lange statt, bis die Umweltkapazität \(K\) erreicht ist. Bei geringer Populationsdichte, also wenn \(N \ll K\) ist, dann ist der Term in Klammern annähernd gleich 1 und das Wachstum maximal. Das Produkt \(r \cdot \left(1 - \frac{N}{K}\right)\) beträgt annähernd \(r\).

Je mehr sich die Abundanz \(N\) der Kapazitätsgrenze annähert, desto kleiner wird \(r \cdot \left(1 - \frac{N}{K}\right)\) und konvergiert bei \(N \rightarrow K\) gegen Null.

Gleichgewichte beim logistischen Wachstum



  1. Setze die logistische Wachstumsrate auf den kleinstmöglichen Wert (\(r_{max}=0.02\)) und die Kapazitätsgrenze \(K=500\):

    • Welche Form zeigt die Wachstumskurve?

  1. Verschiebe nun den Regler von \(K\).

    • Warum hat eine Vergrößerung von \(K\) nur einen geringen Einfluss?

    • Warum hat eine Verkleinerung von \(K\) einen größeren Einfluss?


  1. Setze jetzt wieder \(r_{max}=0.1\) und \(K=100\).

    • Was passiert, wenn man die Anfangsabundanz \(N_0\) verändert?

    • Setzte nun die Anfangsabundanz auf eine größeren Wert, z.B. 120. Was passiert?


  1. Im Folgenden wollen wir verschiedene Arten des Gleichgewichts untersuchen:

    • \(N_0=0, r_{max}=0.1, K=100\)
    • \(N_0=1, r_{max}=0, K=100\)
    • \(N_0=100, r_{max}=0.1, K=100\)
  1. Erläutere zunächst durch Interpretation, wie die unterschiedlichen Gleichgewichtszustände entstehen.

  2. Versuche durch Einsetzen der Werte in die Gleichungen zu verstehen, warum es zum Gleichgewicht kommt. Hierfür ist die Gleichung der Ableitung \(dN/dt= ...\) einfacher zu verstehen als die integrierte Form.

Am Anfang ist das Wachstum nahezu exponentiell
  • Bei im Vergleich zu \(K\) kleiner Startabundanz \(N_0\) entspricht die Wachstumskurve am Anfang nahezu einem exponentiellen Wachstum. Die Abundanz ist weit weg von \(K\) so das dessen Vergrößerung keinen Einfluss mehr hat.

  • Bei einer Verkleinerung von \(K\) in die Nähe der Abundanz, wird die Limitierung deutlich sichtbar und die Wachstumskurve flacht sich ab.

Die maximale Abundanz ist vom Startwert unabhängig
  • Der Wert von \(N_0\) beeinflusst lediglich, wie schnell der Wert von \(K\) erreicht wird. Er hat keinen Einfluss auf den Endwert.

  • Wenn die Startabundanz über der Kapazitätsgrenze liegt, verringert sich die Population so lange, bis \(K\) erreicht ist.

Gleichgewichte funktionieren unterschiedlich

Im Experiment können wir drei verschiedene Arten von Gleichgewichten erkennen. Wenn \(N_0=0\) ist, sind keine Organismen da, die wachsen können. Wir haben sozusagen ein “steriles System”. Die Abundanz bleibt auf 0.

Wenn \(r_{max}=0\) und \(N_0 > 0\) sind, dann sind zwar Organismen da, aber sie vermehren sich nicht. Es kann auch sein, sie vermehren sich, aber Vermehrung und Absterben halten sich genau die Wage.

Beide Gleichgewichte sind “labil” (oder instabil). Wenn zu \(N_0 = 0\) nur ein kleiner Wert hinzukommt, beginnt das Populationswachstum, das Gleichgewicht wird verlassen und die Abundanz bewegt sich in Richtung \(K\). Dasselbe passiert, wenn im zweiten Fall \(r_{max} > 0\) wird.

Im dritten Fall (bei \(N = K\)) handelt es sich um ein stabiles Gleichgewicht. Es wird erreicht wenn \(N\) kleiner ist als \(K\) aber auch wenn \(N\) größer ist als \(K\). Selbst wenn die Abundanz kurzzeitig von \(K\) wegbewegt wird, stellt sich \(K\) wieder ein. Man nennt dies auch “Resilienz”.

r- und K-Strategie

Das logistische Modell ist die theoretische Grundlage für die Unterscheidung zwischen r- und K-Strategen. Unter einem r-Strategen versteht man Arten, die sich schnell vermehren, “koste es, was es wolle”. K-Strategen sind hingegen Arten, die eine möglichst hohe Abundanz (ein hohes K) erreichen können. Nach modernerer Auffassung sind es Organismen, die auch bei Nahrungsknappheit gut überleben und Verluste minimieren können.

Siehe dazu auch Ein-Spezies-Modelle in Wikipedia.

Diskretes Wachstum kann zu Chaos führen

Das logistische Modell und dessen Gleichgewichte sind ein anschauliches Beispiel aus der Chaostheorie. Die unter “Aufgaben” beschriebenen Experimente setzen voraus, dass das Populationswachstum kontinuierlich erfolgt, d.h. mathematisch mit einer Differentialgleichung beschrieben wird.

Wenn sich das Populationswachstum in Form von Generationen entwickelt, z.B. bei Wildtieren die sich nur einmal im Jahr fortpflanzen, dann ist der Zeitschritt “diskret”. Mathematisch ist das eine Differenzengleichung.

In diesem Fall kann die Kapazitätsgrenze zeitweilig überschritten werden. Anschließend kommt es zu einem teilweisen Zusammenbruch der Population, z.B. auf Grund von Futtermangel. Im anschließenden Jahr kann sich die Population wieder erholen usw. Somit entsteht ein Zyklus und unter bestimmten Bedingungen ein chaotisches Muster.

Mehr dazu steht unter Logistische_Gleichung in Wikipedia.

Wenn Du es selbst ausprobieren willst, kannst Du eine Mail an die Entwickler der App schreiben. Vielleicht bauen sie das Chaosmodell mit in die App ein.

Anfangswerte

Parameter

Das Bild zeigt Erlenmeyerkolben, die durch das Algenwachstum eine stärker grüne farbe annehmen. Gleichzeitig wird der zeitlliche Verlauf der Algenabundanz mit einer ansteigenden und die Nährstoffkonzentration mit einer abnehmenden S-förmigen Kurve dargestellt.
Vom logistischen Wachstumsmodell zur Nährstofflimitation

Das logistische Wachstumsmodell hat eine große theoretische Bedeutung und wird in der Praxis oft eingesetzt, z.B. für Wachstumsexperimente mit Bakterien und Algen im Labor oder für die biotechnologische Produktion von Medikamenten in der Industrie.

Allerdings hat das logistische Modell zwei entscheidende Nachteile:

  1. Man muss von vornherein wissen, wo die Kapazitätsgrenze \(K\) liegt, z.B. aus einem vorangegangenen Experiment.

  2. Es ist nicht bekannt, warum das Wachstum aufhört, ob z.B. ein Nährstoff aufgebraucht wurde oder ob sich die Algen gegenseitig zu stark beschatten.

Beim ressourcenlimitierten Wachstumsmodell wird dieses Problem dadurch gelöst, indem man für eine limitierende Ressource eine zusätzliche Gleichung angibt. Wenn das Phytoplankton wächst, wird eine Ressource verbraucht, z.B. der Phosphor. Wenn der Phosphor aufgebraucht ist, stoppt das Wachstum. Die Kurven von Phytoplankton und Phosphor zeigen ein spiegelbildliches Verhalten.

Anstelle des Phosphors kann auch der Stickstoff limitieren oder auch beide. Dann benötigt man eine weitere Gleichung (Mehrfachlimitation). Der Einfluss von Licht und Temperatur kann ebenfalls berücksichtigt werden.

Systemdiagramm für das ressourcenlimitierte Wachstum.
Phosphorlimitation des Algenwachstums

Im Beispiel soll das Wachstum des Phytoplanktons in Abhängigkeit vom Phosphor (\(P\) in mg m-3) beschrieben werden. Zur Vermeidung doppelter Buchstaben nennen wir das Phytoplankton “Algen” \(A\), als Maßeinheit verwenden wir das Biovolumen oder den in den Organismen enthaltenen Kohlenstoff in mg m-3. Für die Zeit wählen wir die Maßeinheit Stunden (h).

\[ \begin{align} \frac{dA}{dt} &= r(P) \cdot A \\ \frac{dP}{dt} &= - r(P) \cdot A \cdot \frac{1}{Y}\\ r(P) &= r_{max} \cdot \frac{P}{k_P + P} \end{align} \]

In moderneren Modellen wird die Biomasse oft in Kohlenstoffeinheiten angegeben. Kohlenstoff ist das “Element des Lebens” und hat bei den meisten Organismen ungefähr 50% Anteil an der Trockenmasse.

Die erste Gleichung \(dA/dt\) ist im Prinzip wieder die exponentielle Wachstumsgleichung, allerdings ist die Wachstumsrate \(r\) jetzt eine Funktion von \(P\), also \(r=f(P)\). Wenn der Nährstoff \(P\) aufgebraucht ist, geht die Wachstumsrate \(r(P)\) gegen Null.

Der erste Teil der Phosphorgleichung \(dP/dt\) entspricht der Gleichung der Algen, allerdings mit negativem Vorzeichen. Wenn Algen wachsen, wird Phosphor verbraucht. Der Umrechnungsfaktor \(1/Y\) dient dazu, den Phosphor und den Kohlenstoffanteil der Algen stöchiometrisch umzurechnen. Hier verwendet man üblicherweise den Kehrwert des Ertragskoeffizienten \(Y\) (“Yield”, engl. Ertrag). Ein Wert von \(Y=41\) bedeutet, dass für 1 mg Phosphor 41 mg Kohlenstoff in der Biomasse gebunden werden.

Die Funktion \(r(P)\) beschreibt die Abhängigkeit der Wachstumsrate \(r\) vom Phosphor als sogenannte Sättigungskinetik. Bei steigender Phosphorkonzentration steigt die Wachstumsrate zunächst steil an. Bei Nährstoffüberschuss flacht die Kurve ab und nähert sich einem Maximalwert \(r_{max}\) an. Der Wert \(k_P\) ist die Nährstoffkonzentration bei der 50% der maximalen Wachstumsrate erreicht werden. Je kleiner \(k_P\) ist, umso besser ist eine Algenart an niedrige Nährstoffkonzentrationen angepasst.

Wodurch wird das Wachstum begrenzt?



  1. Vergleiche das ressourcenlimitierte Wachstum mit dem logistischen Wachstum.

    1. Worin besteht der Vorteil des ressourcenlimitierten Wachstums gegenüber der logistischen Wachstumsfunktion?

    2. Gibt es auch Nachteile?


  1. Untersuche den Einfluss von \(r\), \(k_P\) und \(Y\) auf das Wachstum.

    1. Bei welchen Werten von \(r\) ist das Wachstum am schnellsten?

    2. Bei welchen Werten von \(k_P\) ist das Wachstum am schnellsten und die Nährstoffausnutzung am besten?

    3. Wovon hängt die Steilheit des Übergangs in die Limitierung ab?

    4. Welcher Parameter und welcher Anfangswert bestimmt die erreichte maximale Phytoplanktonmenge? Die maximal erreichte Abundanz entspricht der Kapazitätsgrenze \(K\) beim logistischen Modell.

Graphische Darstellung des Blackman-Modells. Graphische Darstellung des Monod-Modells.

Die Wachstumskinetik

Die Abhängigkeit der Wachstumsrate \(r\) von der Nährstoffkonzentration wird über eine sogenannte Kinetik beschrieben. Hierbei geht es darum, wie schnell die Algen wachsen, das nennt man auch eine funktionelle Reaktion (engl.: functional response). Im Gegensatz dazu beschreiben die eigentlichen Wachstumsmodelle (z.B. das logistische und das ressourcenlimitierte Modell) wie viele Algen insgesamt wachsen können. Das nennt man numerische Reaktion (engl.: numerical response).

Für die Abhängigkeit der Wachstumsrate von einer Ressource (z.B. Phosphor) wird eine Sättigungskinetik verwendet. Je mehr Nährstoffe vorhanden sind, umso schneller ist das Wachstum. Ab einer bestimmten Nährstoffkonzentration wird eine Sättigung erreicht, das heißt noch mehr Nährstoffe führen nicht zu noch mehr Wachstum.

Zur mathematischen Beschreibung existieren verschiedene Möglichkeiten. Beim Blackman-Modell steigt die Wachstumsrate zunächst proportional mit der Nährstoffkonzentration an. Hierbei ist \(k_b\) der Proportionalitätsfaktor. Wenn die Nährstoffkonzentration (\(P\)) für die maximal mögliche Wachstumsrate (\(r_{max}\)) überschritten wird, bleibt die Wachstumsrate \(r\) konstant bei \(r_{max}\):

\[ r = r_{max} \cdot \min(k_b \cdot P, 1) \]

Beim Monod-Modell wird allmählicher Übergang vom Anstieg in die Sättigung angenommen. In der hierfür verwendeten Gleichung:

\[ r = r_{max} \cdot \frac{P}{k_P + P} \] wird die Limitation durch ein Verhältnis realisiert, bei dem im Nenner eine sogenannte Halbsättigungsrate \(k_P\) steht, die die gleiche Maßeinheit wie \(P\) hat. Dadurch ist dieser Term dimensionslos. Wenn Phosphorkonzentration und Halbsättigungsrate gleich sind (also \(P=k_P\)) ist, dann ist das Verhältnis \(P/(P + P) = 0.5\). Wenn jedoch \(P\) sehr groß ist (\(P >> k_p\)), dann konvergiert das Verhältnis gegen 1 und die Wachstumsrate \(r\) gegen \(r_{max}\).

Schnell wachsende Phytoplanktonarten haben eine große maximale Wachstumsrate, Arten, die mit wenigen Nährstoffen auskommen, haben eine kleine Halbsättigungskonstante.

Düngereinsatz und Eutrophierung

Der Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft ist für unsere Ernährung sehr wichtig aber es kommt darauf an, Überdüngung zu vermeiden. Überschüssiger Phosphor und Stickstoff kann von den Pflanzen nicht mehr aufgenommen werden und landet in unseren Flüssen und Seen und schließlich in der Ost- oder Nordsee.

In den Gewässern führt erhöhter Phosphor- und Stickstoffeintrag zu verstärktem Phytoplanktonwachstum und das Wasser wird trübe. Im Tiefenwasser führen die absterbenden Algen dann zum Sauerstoffschwund. Verstärktes Wachstum von Plankton und Wasserpflanzen und die daraus resultierende Verschlechterung der Wasserqualität nennt man Eutrophierung.

Weitere Informationen zum Nährstoffeintrag und zur Eutrophierung findet man zum Beispiel auf den Internetseiten des Umweltbundesamts.

Anfangswerte

Parameter

Das Bild zeigt, wie Algen von Dahnien gefressen werden. Ohne Daphnien würden die Algen exponentiell wachsen. Von den Daphnien stirbt pro Zeiteinheit ein Teil oder wird durch Fische gefressen. Durch die Wechselwirkung zwischen Algen und Daphnien werden die Algen verringert und die Daphnien könne sich vermehren.
Interaktion zwischen Populationen

Die bisher betrachteten Modelle beschreiben jeweils nur das Wachstum einer einzelnen Population. In der Realität findet man fast immer mehrere Populationen gemeinsam, die entweder in Konkurrenz zueinander stehen oder Nahrungsketten und Nahrungsnetze bilden.

Im folgenden betrachten wir einen Ausschnitt aus einer Nahrungskette mit einem Produzenten (“Beute”) und einem Konsumenten (“Räuber”), z.B. Phytoplankton und Daphnien (Wasserflöhen).

Hier wachsen die Daphnien zunächst ohne Ressourcenbegrenzung, also exponentiell. Sie können sich aber nicht unbegrenzt vermehren, da immer ein Teil der Population von den Konsumenten (den Daphnien) gefressen wird. Je mehr Produzenten (Phytoplankton) vorhanden sind, umso mehr vermehren sich die Konsumenten. Was passiert, wenn sich die Konsumenten zu stark vermehren, werden wir mit Hilfe von Simulationen untersuchen.

Systemdiagramm für ein Räuber-Beute-Modell.
Das Räuber-Beute-Modell von Lotka und Volterra

Im Unterschied zum logistischen oder zum ressourcenlimitierten Wachstum lassen sich in der Natur nur selten stabile Gleichgewichte beobachten, sondern die Abundanz schwankt. Hierfür gibt es verschiedene Ursachen, z.B. den Vermehrungszyklus oder eine unterschiedliche Nahrungsverfügbarkeit durch die Jahreszeiten und das Wetter.

Populationsschwankungen können aber auch aus Wechselwirkungen zwischen Populationen resultieren.

Solche Wechselwirkungen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts vom italienischen Mathematiker und Physiker Vito Volterra und dem österreich-amerikanischen Chemiker und Versicherungsmathematiker Alfred Lotka untersucht und mathematisch beschrieben.

Ihr Modell besteht aus zwei Gleichungen, einer für die Produzenten (z.B. Algen) und einer für die Konsumenten (z.B. Daphnien). In Abwandlung zur von Volterra (1926) ursprünglich verwendeten Schreibweise der Gleichungen verwenden viele Wissenschaftler und Lehrbücher unterschiedliche Symbole und Varianten. Wir verwenden im folgenden eine vereinfachte Notation mit \(P\) für die Produzenten und \(K\) für die Konsumenten. Für die Modellparameter verwenden wir fortlaufende Buchstaben \(a, b, c, d\), die man wie folgt interpretieren kann:

\(a\) für die Vermehrungsrate der Algen

\(b\) für das Gefressenwerden

\(c\) für die durch Nahrungsaufnahme resultierende Vermehrung der Konsumenten

\(d\) für die Sterberate der Konsumenten

Das Modell besteht nun im Prinzip aus drei Prozessen. Die ersten beiden entsprechen einem exponentiellen Wachstumsmodell mit positiver bzw. negativer Wachstumsrate.

Exponentielles Wachstum der Algen:

\[ \frac{dP}{dt} = a \cdot P\\ \]

Exponentielles Absterben der Daphnien:

\[ \frac{dK}{dt} = - d \cdot K\\ \]

Der dritte Prozess beschreibt fressen und gefressen werden, also die Interaktion. Hierbei hängt die Verlustrate der Algen \((b \cdot K)\) von der Abundanz der Daphnien ab und die Wachstumrate der Daphnien von der Abundanz der Algen \((c \cdot P)\). Wenn man \(b\) und \(c\) unterschiedlich wählt, kann man die trophische Effizienz berücksichtigen, z.B. dass nur 10% der Nahrung für die Vermehrung genutzt werden kann.

Somit ergibt sich das folgende Gleichungssystem, bei dem zur besseren Erkennbarkeit die Verlustrate der Algen durch Gefressenwerden und die Wachstumsrate der Daphnien durch zusätzliche Klammern symbolisiert sind:

Gleichungssystem

\[ \begin{align} \frac{dP}{dt} &= a \cdot P - (b \cdot K) \cdot P \\ \frac{dK}{dt} &= (c \cdot P) \cdot K - d \cdot K \end{align} \] Die Klammern dienen nur zur Veranschaulichung und werden normalerweise weggelassen.

Einstellung von Gleichgewichten

Gegeben sind zunächst die Standardparameter und Startwerte wie folgt:

\(a=b=c=d=0.1\), \(P_0=1\), \(K_0=0.5\).

  1. Verändere den Startwert für den Konsumenten (\(K_0\)) auf 2 bzw. auf 1.
  • Was passiert?

  1. Setze nochmals \(K_0=2\). Versuche nun, eine Wachstumsrate des Produzenten (\(c\)) zu finden, bei dem wieder ein Gleichgewicht auftritt.
  • Man kann den gesuchten Wert entweder durch Probieren oder durch Umstellen des Gleichungssystems finden.

Periodendauer und Amplitude

Stelle zunächst die Standardparameter wieder her, z.B. indem die App neu geladen wird.

  1. Durch Veränderung der Parameter \(a, b, c, d\) lässt sich die Periodendauer ändern. Zur Vereinfachung sollen alle Parameterwerte zunächst gleich sein (\(a=b=c=d\)). Finde nun Werte, so dass sich die Periodendauer:

    1. verkürzt
    2. verlängert
    3. Warum wirken die Parameter in die jeweils beobachtete Richtung?


  1. Setze nun wieder die Standardparameterwerte ein.

    1. Verdopple die Wachstumsrate \(a\) auf 0.2. Wie ist das Ergebnis zu erklären?

    2. Verdopple die Absterberate von \(K\) auf 0.2. Wie ist das Ergebnis zu erklären?

    3. Welche Folgerungen lassen sich zu Umsatz und Populationsdichte in realen Systemen treffen?


  1. Verdopple und halbiere den Umsatz zwischen \(P\) und \(K\). Verwenden dazu Parameter im Bereich: \(b=c=0.05 \dots 0.2\).
  • Wie lässt sich das Ergebnis erklären? Welche Informationen sind erforderlich, um beurteilen zu können, ob das Ergebnis realistisch ist?
Ein dimensionsloses Modell

In der Regel lernen wir, dass die Koordinatenachsen immer mit Maßeinheiten beschriftet werden sollen. Das ist sehr wichtig aber es gibt Ausnahmen. Bei theoretischen Modellen wird manchmal nur die Bedeutung ohne Maßeinheit an die Achse geschrieben, z.B. “Zeit”, “Häufigkeit” oder “Abundanz”.

In der Physik geht man oftmals noch weiter und skaliert alle Achsen auf ein Intervall von Null bis Eins. In den vorliegenden Apps haben wir darauf verzichtet, so dass man sich unter den Werten etwas vorstellen kann. So können wir je nach Anwendung eine Maßeinheit festlegen, z.B.”Stunden” bzw. “Tage” für schnell wachsende Algen und Daphnien oder “Jahre” für Schneeschuhhasen und Luchse.

Bei den Maßeinheiten für Abundanz und Biomasse muss beachtet werden, das Algen und Daphnien unterschiedlich groß sind und eine unterschiedliche Körpermasse besitzen. Wenn man auf die Maßeinheit verzichtet, sind die Werte auf der y-Achse nur relative Größen, die nicht miteinander vergleichbar sind.

Betrachtet man die Biomasse, kann man mit einem Trick annähernd vergleichbare Verhältnisse herstellen. Als Faustregel gilt, dass in einer Nahrungskette etwa 10% der Energie von einer trophischen Ebene an die nächste weitergegeben wird.

Wir können das berücksichtigen, wenn der Parameter \(c\) (“fressen”) nur ein Zehntel von \(b\) (“gefressen werden”) beträgt, also z.B. \(b=0.2\) und \(c=0.02\). Außerdem muss man in diesem Fall die Anfangswerte entsprechend anpassen, z.B. \(P_0=1\) und \(K_0=0.05\).

Durch Änderung der Parameter können auch Kombinationen eingestellt werden, die nicht sinnvoll oder unrealistisch erscheinen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Parameterwerte relativ zur Zeit angegeben werden, z.B. Wachstum pro Tag oder pro Stunde. Daher ist es manchmal notwendig, auch die Zeiteinheit anzupassen und die Werte und Maßeinheiten einer genauen Realitätsprüfung zu unterziehen.

Um das Verständnis zu erleichtern, können wir die Maßeinheiten außer Acht lassen und die Ergebnisse nur qualitativ betrachten, d.h. wenig - viel, Zyklus - Gleichgewicht, größere Amplitude - kleinere Amplitude, längerer Zyklus - kürzerer Zyklus.

Zeitreihe von Luchsfängen in Kanada, aus Brockwell and Davis (1991) Klassischer Datensatz zu Luchsfängen in Kanada, aus Brockwell & Davis (1991)



Schneeschuhhasen und Luchse

Im Zusammenhang mit dem Räuber-Beute-Modell wird oft das Beispiel von Schneeschuhhase und Luchs genannt. Die beiden Arten leben in Nordamerika, vor allem in Kanada.

Es konnte beobachtet werden, dass die Fellverkaufszahlen der Jäger in einem Zyklus von 9 bis 11 Jahren schwanken. Die Vermutung lag nahe, dass es sich hier um einen Lotka-Volterra-Zyklus handelt. Bei näherer Betrachtung zeigten sich allerdings Unstimmigkeiten und es wurden verschiedene andere Erklärungen gegeben. Eine Erklärung bestand darin, dass die schwankenden Fellverkäufe auf den Einfluss der Jäger zurückzuführen waren. Eine andere Erklärung besteht darin, dass der Räuber-Beute-Zyklus auf Wechselwirkungen einer niedrigeren trophischen Ebene resultiert, also nicht als Wechselwirkung zwischen Schneehaase und Luchs, sondern von Vegetation und den Schneehasen. Der Luchs folgt dem Zyklus lediglich nach. Näheres dazu findet man im Wikipedia-Artikel Das Lotka-Volterra-Modell.

Elche und Wölfe

Ein weiteres prominentes Beispiel ist die Wechselbeziehung zwischen dem Elch und dem Wolf. Hierzu wurden im Isle Royale Nationalpark auf einer Insel in einem der Großen Seen in Amerika Untersuchungen durchgeführt. Es handelt sich um die längste Studie zu Räuber-Beute-Systemen der Welt. Auf der Insel leben mit Ausnahme der Forschenden und der sommerlichen Besucher keine Menschen.

Zwischen den Elchen und den Wölfen konnten tatsächlich Wechselwirkungen vom Lotka-Volterra-Typ beobachtet werden. Allerdings gab es nur kurze Abschnitte eines Zyklus. In der Realität wirken auch hier zusätzliche Einflussfaktoren, z.B. Parasiten, die die Elche schwächen. Umgekehrt wurden die Wölfe zeitweilig von einer Viruskrankheit infiziert und wären fast ausgestorben.

In einem besonders kalten Winter wurden Wölfe beobachtet, die eine Strecke von 22km über den zugefrorenen See zur Insel zurückgelegt haben. Das bestätigte eine bereits länger bestehende Vermutung, dass die Wolfpopulation auf der Insel nicht vollständig isoliert ist. Der Austausch mit dem Festland ist für die Wolfpopulation offenbar überlebenswichtig, doch aufgrund der Klimaerwärmung bilden sich solche Eisbrücken nicht mehr alle 3 bis 4 Jahre, sondern nur noch alle 10 Jahre.

Mehr dazu findet man auf den englischsprachigen Webseiten des Nationalparks und zum Forschungsprojekt (https://isleroyalewolf.org/) und im Buch von Vucetich (2024). Auch auf Wikipedia finden sich Artikel in englischer und deutscher Sprache dazu. Ganz besonders zu empfehlen sind die Videos zum Projekt auf Youtube, z.B. https://youtu.be/DS-4IsDg7mA. Weitere Videos in englischer Sprache findet man über die Stichworte: wolves isle royale.

Schlussfolgerungen

Die Beispiele zeigen, dass Räuber-Beute-Wechselwirkungen in der Praxis weitaus komplizierter sind als das Lotka-Volterra-Modell. Für Vorhersagen ist das Modell nicht geeignet aber man kann, so wie in den Simulationsexperimenten der App, grundlegende Erkenntnisse über das Entstehen von Populationsschwankungen oder die Einstellung von Gleichgewichten ableiten.

In praktischen Modellen werden unterschiedliche Modellbausteine kombiniert: exponentielles Wachstum, logistisches Wachstum, mehrere Ressourcen und Räuber-Beute-Wechselwirkungen. Außerdem werden in den Modellen aktuelle Daten zur Beschreibung von Wetter, Klima und menschlichem Einfluss berücksichtigt.

Literatur

Brockwell, P. J. and Davis, R. A. (1991). Time Series and Forecasting Methods. Second edition. Springer. Series G (p. 557).

Vucetich, J.A. (2021) Restoring the Balance: What Wolves Tell Us about Our Relationship with Nature. Johns Hopkins University Press.

Anfangswerte

Parameter

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2024-12-19

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Literatur

Brockwell, P. J., & Davis, R. A. (1991). Time Series and Forecasting Methods (Second edition). Springer Verlag.
Volterra, V. (1926). Variazioni e fluttuazioni del numero d’individui in specie animali conviventi. Societá anonima tipografica "Leonardo da Vinci".
Vucetich, J. A. (2024). Restoring the Balance: What Wolves Tell Us about Our Relationship with Nature (John Hopkins Paperback edition). Johns Hopkins University Press.